Der Anfang....

So fing alles an!

Nach 2 langen Jahren des Wartens, und doch völlig unerwartet, hieß es endlich : "So wie es aussieht, sind Sie Schwanger!"

 

                                                                                                    

 

Ich zahlte noch 100€ extra beim Arzt, damit bei jedem Termin bzgl. meiner Schwangerschaft ein Ultraschall gemacht wird, weil ich, nachdem es so lange gedauert hatte, auf  "Nummer Sicher" gehen wollte. Ein 3D Ultraschall habe ich auch machen lassen. Der Arzt schallte eine ganze Stunde lang, was ich schon sehr merkwürdig fand, hab mir damals aber nichts dabei gedacht. Heute glaube ich, dass er vielleicht schon was gesehen hatte, sich aber nicht sicher war, und deshalb nichts gesagt hat.

 

 

Also kurz geschildert, die Schwangerschaft war soweit unauffällig und wir gingen davon aus, dass wir ein gesundes Kind bekommen.
 

 

So knapp eine Woche vor dem errechneten Termin war ich gefühlt kurz vorm Platzen . Timm war schon recht schwer, aber immer noch nicht ins Becken gerutscht. Ich bekam ein Weheneinleitendes Medikament, dass aber nichts bewirkte. Also ging es plötzlich ganz schnell, und es wurde ein Kaiserschnitt gemacht. Dies hatte der Arzt auch schon mit eingeplant.

 

Im nachhinein ist es wahrscheinlich sehr gut gewesen. Wer weiß ob Timm eine normale Geburt überlebt hätte, da er die erste Zeit seines Lebens häufige Atemaussetzer hatte. Diese haben uns übrigens erst darauf aufmerksam gemacht, dass etwas nicht in Ordnung ist.

 

Der Kaiserschnitt selbst verlief normal, außer das mein Arm irgendwie auch betäubt war. Man erzählte meinem Mann, dass Timm eine sogenannte Anpassungsstörung (etwas auffällige Atmung) habe, aber das käme häufiger vor bei Kindern die durch Kaiserschnitt geboren werden. Da ich ja noch wieder zugenäht werden musste und danach auf eine Überwachungsstation kam, hab ich Timm so ca. vier Stunden lang nicht gesehen. Frank war natürlich die meiste Zeit bei ihm.

 

Es war großartig ihn dann endlich richtig zu sehen und im Arm zu halten ! Allerdings kann ich mich nicht wirklich mehr an das Glücksgefühl erinnern, da die negativen Ereignisse die folgten, die Positiven überlagert haben.

 

Wir informierten natürlich unsere Eltern das Timm auf der Welt ist, und das wir uns freuen würden, wenn sie vorbeikommen.
 

Ich erinnere mich vage, dass meine Mutter zu meinem Vater sagte, dass Timm irgendwie komisch atmen würde. Doch das haben wir erstmal ignoriert und  nicht ernst genommen.

Als ich dann nach einer Weile mit unserem Kind alleine war, viel es mir aber auch auf. Ich hab mir nichts Schlimmes dabei gedacht, nahm an, dass Timm einfach nur unbequem gelegen hat. Aber es sollte sich zur Sicherheit mal jemand ansehen. Sie nahmen ihn mit, um ihn einer Kinderärztin zu zeigen. So, und ab da ging das Drama los!

Die Zimmertür ging auf. Die Ärztin, mit glaub ich einer Krankenschwester kam hinein. Sie schickten meine Bettnachbarin hinaus. Und da wußte ich, jetzt kommt was Schreckliches. Es schnürte mir den Hals zu!

 

Er würde sehr merkwürdig atmen sagte Sie mir. Erst ganz schnell, und dann gar nicht. So etwas hätten sie noch nicht gesehen und sie müssten ihn dringend zur Überwachung in ein anderes Krankenhaus bringen, da sie in diesem Haus keine Möglichkeit dafür hätten. 

 

Es war so grauenhaft! Mein Mann war bei dieser Nachricht gar nicht dabei, wusste von all dem noch nichts. Er war bereits zu seiner Familie gefahren, um das eigentlich wunderschöne Ereignis der Gebeurt unseres Sohnes zu feiern.

Somit musste ich ihn anrufen. Er kam natürlich sofort wieder her. Auch meine Eltern rief ich gleich an und erzählte die Schreckensnachricht. Sie hatten bereits Freunde da und wollten die Geburt von Timm feiern.

 

Als Frank da war, brachten sie Timm im Inkubator noch mal zu uns, bevor er dann weggebracht wurde. Es war schon ca. 20 Uhr glaub ich. Frank fuhr dann in das andere Krankenhaus nach, um bei Timm zu sein. Ich habe unendlich viel geweint, was mir auch körperlich durch die Kaiserschnittnarbe heftig weh tat. Dadurch musste ich automatisch noch mehr weinen.

 

Frank rief dann irgendwann an und erzählte mir, dass sie einen Verdacht hätten, was er haben könnte. Aber erstmal hoffte man dort, dass es das ja vielleicht doch nicht ist.

 

Irgendwann beruhigte ich mich vorerst und versuchte mich für meine Bettnachbarin mit zu freuen, die ja auch ein Kind bekommen hatte. Zum Glück war ich nicht alleine auf dem Zimmer. Klar, es war auch irgendwo schwer mit anzusehen, wie sie glücklich ihr Kind bei sich hatte, aber ich freute mich hauptsächlich für Sie.

 

Am nächsten Tag hatten mich ein paar Freundinnen besucht und mich abgelenkt. Das war auch dringend notwendig . Frank fuhr glaub ich an dem Tag einige Male hin und her, also zu Timm und wieder zu mir und wieder zurück...

 

Ich kämpfte darum, dass ich in das andere Krankenhaus zu Timm verlegt werde. Nach diesem weiteren qualvollen Tag ohne ihn sehen zu können, konnte ich dann dort hin.

 

( ich könnte noch viele Dinge dazu berichten, z.B. das sich meine Hebamme quasi nicht mehr hat blicken lassen - auch später nicht, nachdem ich wieder zu Hause war. Das man unfreundlich war, als ich einmal vagte nach Schmerzmitteln zu fragen, uvm... - aber diese Details lass ich hier jetzt mal weg wink)

 

Jedenfalls fühlte ich mich deutlich besser in dem anderen Krankenhaus aufgehoben. Man brachte mir erstmal einen Rollstuhl und "befahl" mir, mich vorwiegend schieben zu lassen und nicht selber zu laufen. (Im vorherigen Krankenhaus kam man noch nicht einm mal auf die Idee mir einen Rollstuhl zu geben um zum Auto zu kommen, erst als sie sahen, dass ich mich schon den Flur entlang schleppte, aber da wollt ich ihn auch nicht mehr)

Es wurde entschuldigt, dass erst noch ein Bett für mich fertig gemacht werden müsse, ob ich nicht erstmal zu meinem Kind möchte?! Natüüüürlich - ich konnt´s kaum erwarten !

 

 

Frank kannte sich ja bereits aus. Er fuhr mich zur Neugeborenen-Intensivstation und zeigte mir erstmal das ich mir in einem Vorraum Schutzkleidung anlegen und meine Hände desinfizieren musste. Dann ging´s weiter zu Timm. Er lag in einem Hightech-Bett, hatte noch eine Nadel im Kopf (venösen Zugang) und war an einem Überwachungsmonitor angeschlossen. Er sah für mich ganz anders aus als am Tag seiner Geburt. Hab gedacht, vielleicht ist das ja gar nicht mein Kind? Ich sah ihn mir genau an. Ich fand, dass er wunderschön aussah. Als ich die Füße von ihm gesehen hatte war mir ganz klar, dass ist meiner - wir haben da eine Gemeinsamkeit.

Ich hab ihn erstmal bewundert, ganz vorsichtig berührt. Machte ein paar Fotos. Ich weiß leider gar nicht mehr, wann ich ihn dann das erste Mal auf den Arm nehmen konnte.

Das Personal war sehr nett und brachte uns dann schnell bei, wie wir mit Timm und dann auch dem Monitor umgehen müssten. Anfangs hatte er schwierigkeiten Nahrung aufzunehmen, aber nach ein paar Tagen wurde es besser. Da er ein gutes Geburtsgewicht hatte, war es dann ja nicht so schlimm, dass er erst ein bisschen abgenommen hatte. Trotz allem gab es auch schöne Momente, es gab immer was zu Lachen, da Timm uns so gut wie jedesmal beim Windelnwechseln angepinkelt hat. Besonders oft seinen Papa.

An seinem vierten Lebenstag wurde ein bildgebendes Verfahren (MRT) von seinem Kopf gemacht, um  herauszufinden, ob er nun die von den Ärzten vermutete Erbkrankheit hat, oder nicht. Ich versuchte mit der Krankenschwester Schritt zu halten, die Timm mit samt seinem speziellen Bett zu dieser Untersuchung brachte. Wir zogen dann doch so einige Blicke auf uns. Ich konnte aus ein paar Metern Entfernung zu sehen, wie sie ihn leicht in Narkose versetzten, damit er bei der Untersuchung schön still liegt. Er fand das nicht lustig, konnte damals schon laut protestieren. Die Untersuchung verlief soweit gut, aber auf das Ergebniss mussten wir noch einige Stunden warten. In dieser Zeit versuchten wir uns Hoffnung zu machen, dass es bestimmt nicht so schlimm ist, und wenn es dann doch die Behinderung ist, dann schaffen wir das auch, aber es ist bestimmt alles gut.....Und insgeheim wussten wir doch, es ist nicht gut.

 

Ich glaube so ca. gegen 16 Uhr kam die Oberärztin dann und bat uns mit in ein Büro zu kommen. Mit dabei war eine Krankenschwester von der Neugeb. Intensivstation. Da war uns ja schon klar, dass leider nichts gutes kommt, denn sonst hätte sie es ja gleich sagen können, wenn alles okay gewesen wäre.

Tja, er hat also tatsächlich den seltenen Gendefekt Joubert-Syndrom. Wir wurden aufgeklärt, was das so im allgemeinen bedeutet, bzw. woran Timm möglicherweise alles "leiden" wird. Dann ließ man uns alleine, damit wir das erstmal unter uns verarbeiten konnten. Ja nun, da haben wir erstmal viel geheuelt! Aber nach ein paar Minuten haben wir uns zusammengerissen und uns gesagt, dass das nichts bringt und wir jetzt stark sein müssen für Timm. Ja, so war das.

Die Tage im Krankenhaus waren sehr anstrengend für mich! Ich pendelte immer zwischen dem Stillzimmer im Untergeschoss und der Intensivstation Oben hin und her. Ich wollte das Timm die gute Muttermilch bekommt, erstrecht weil er "krank" ist. Normal Stillen klappte nicht. Die ersten paar Tage war ich ja nicht bei ihm und er war auch zu schwach dafür.

Wenn ich dann mal kurz die Möglichkeit hatte mich auszuruhen, hatte meine Bettnachbarin immer Besuch. Das hat mich echt fix und fertig gemacht! Da haben sogar Besucher noch abends um 20 Uhr da im Zimmer gesessen, obwohl sie selbst nicht da war. Unverschämt, da wartet man doch wohl draußen!? Ich hab rumgestöhnt und mich geräuspert, aber das haben die nicht kapiert. Als sie dann endlich weg waren und ich mich einfach nur noch ausruhen wollte, bekam ich einen Anruf von der Intensivstation. Frau Dultmeyer, ihr Kind hat hunger! Kommen sie nochmal hoch und füttern ihn?!! Aaaaa, am liebsten hätte ich nein gesagt, aber da ruft die Mutterpflicht. Ich schluckte die Tränen der Erschöpfung tief runter und ging zu Timm.

Ich weiß nicht mehr genau ob es an diesem Abend war - glaub aber schon. Es war schon ca. 21:30 Uhr als ich Timm das Fläschen gab. Mittlerweile lag er in einem größeren Raum und nicht mehr in diesem Spezialbett. Plötzlich hatte er mal wieder einen Atemaussetzer, aber diesmal dauerte es an. Ich pustete ihn an, kniff ihn in sein Bäckchen, drückte die Füßchen und rief seinen Namen. Hallo hallo, schnell, Schwester er Atmet nicht! Bis jemand kam verging für mich eine Ewigkeit. Dann fing er doch wieder von alleine an zu atmen. Er war schon total blau angelaufen. Scheiß Gefühl!

 

Viel Besuch durfteTimm natürlich nicht bekommen. Aber meine Eltern und Franks Mama waren da, und eine Freundin sah ihn durchs Fenster der Tür. Besonders schön für mich war es, dass meine Oma, also die Uroma von Timm, auch da war. 

------------

Ich erinnere mich, dass sehr schönes und schon warmes Wetter war zu der Zeit.

Am Tag meiner Entlsassung aus dem Krankenhaus sind wir erstmal zu meinen Eltern gefahren. Ich hab mich immer so stark gefühlt, aber als ich dann meine Mutter sah, viel ich ihr heulend um den Hals....ich war so am Ende meiner Kräfte...

Nach ein paar Sekunden riss ich mich wieder zusammen und ging weiter in Richtung Garten.

 

Ein paar Tage lang fuhren wir dann so ca. 2-3 Mal zu Timm. Die Schwestern waren alle sehr herzlich und hilfsbereit.

Einmal hatten sie Timm in den Flurbereich "abgestellt", da er wohl etwas zu laut war wink

 

Irgendwann bekam er einen mobilen Überwachungsmonitor. Das bedeutete, dass der Alarm nur an dem Gerät direkt losging, und nicht mit dem Schwesternzimmer oder den anderen Räumen verbunden war. Das machte mir ziemliche "Magenschmerzen". Ich hatte sehr Angst, dass das Personal den Alarm mal überhört....und dann???

Da fällt mir ein, dass er sogenanntes Koffeincitrat bekam. Es sollte das Atemzentrum im Gehirn anregen, also den Impuls zum selbstständigen Atmen unterstützen.

Sie versuchten einmal die Dosierung herabzusetzen, aber da bekam er sofort wieder mehr Atemaussetzer.

 

Der nächste Schock sollte schon schnell folgen! Warum auch mal erst das Erlebte "verdauen" können...

Ich telefonierte mit meinem Vater als er plötzlich zu mir sagte " Kerstin, bitte erschreck jetzt nicht, aber deine Mutter steht vor mir und hat eine Gesichtshälfte gelähmt"

Wieder schnürte sich der Hals zu! Das war ein starkes Zeichen für einen Schlaganfall.

Nein, nicht das auch noch! Nun wird meine Mutter zum Pflegefall, dachte ich ein paar Sekunden lang.

Papa wollte sie ins Auto setzen und sie in das Krankenhaus bringen, wo Timm auch lag.

Ich rief ihn sofort wieder an, und sagte, er soll besser den Notarzt rufen! Dass hatte er dann auch schon getan.

Ich bin sofort hingefahren, da kam zur gleichen Zeit der Arzt.

Sie wurde dann in ein anderes Krankenhaus gebracht.

Es stellte sich zum Glück ca. 1 Tag später heraus, dass es kein Schlaganfall war, sondern eine heftige allergische Reaktion auf eines ihrer Medikamente gegen Rheuma.

Okay, haleluja, durchatmen...

 

Nach insgesamt ca. 14 Tagen sollte Timm auch entlassen werden. Wir bekamen eine Einweisung für Reanimation am Säugling, damit wir dann im Notfall helfen konnten, da er ja häufig aufhörte zu atmen.

Er bekam einen mobilen Überwachungsmonitor mit nach Hause. Der war Tag und Nacht dran.

Der Alarm ging ca. alle 2 Minuten los. Also ständig nachsehen, ob er wieder anfing zu Atmen.

Dann kam wieder was zum ärgern. Die Krankenkasse wollte die Kosten nicht für diesen Monitor übernehmen. Sie tauschten ihn aus, obwohl wir uns gerade an das Gerät gewöhnt hatten.

Das andere Ding war viel schlechter in der Handhabung. Lautstärke konnte nichtmal verstellt werden. Das war Nachts toll...

Jedesmal Herzinfarkt beim Alarm, da es so laut war, und das Baby wurd  auch dadurch gestört...

 

Also zusammengefasst die ersten 6 Monate:

alle paar Minuten Alarm, alle 2 bis maximal 3 Stunden Flasche, nach der Flasche ca. 3 Mal im hohen Bogen gespuckt (also das Baby), also mehrmals Kleidung wechseln beim Kind und mir, Möbel und Fußboden reinigen, dann hatte er wieder hunger, da er ja alles ausgespuckt hatte...toll, 2 Mal wöchentlich zur Krankengymnastik, mehrere Arzttermine..

 

.

 

Zum Glück hatte Frank schon vor Timm´s Geburt für die ersten 2 Monate Elternzeit für sich beantragt!  Ich hätte es alleine nicht geschafft.

Als Frank wieder arbeiten mußte, war es erst schon schwierig. Ich konnte ja nicht mal in ruhe zur Toilette, immer dann ging der Alarm los.

Eine Zeit lang war Timm nachts immer ca. 3 Stunden wach. Ich war kurz vorm durchdrehen! Hab gedacht, noch so eine Nacht infolge, und ich weiß nicht was ich tue..

Aber immer dann gab´s eine Nacht dazwischen die besser war, zum Glück!...........